Worum es geht
In diesem Artikel möchte ich einen Transfer der fünf Schritte wirksamer Veränderungsarbeit von Therapie und Coaching hin zu der Veränderung von Organisationen vornehmen. Die Idee ist, dass das, was bei der Veränderungsarbeit in einem Kopf, also bei einem Klienten, zu beachten ist, auch funktioniert, wenn es sich um eine notwendige Veränderung zwischen den Köpfen, also beispielsweise bei Teams, handelt. Das Ganze kurz und knapp als Denkimpuls ohne tief Theoriedetails oder Umsetzungsvarianten einzutauchen.
Einführung
Rudi Baumeister erzählt beim Mittagessen:
„Wir wollen in unserer Organisation eine Veränderung vornehmen und mein Chef hat mir gesagt, ich sei ab sofort der Change Manager. Allerdings habe ich so etwas vorher noch nie gemacht. Andererseits kann das ja nicht so schwer sein. Das was da verändert werden soll, nämlich von einer rein hierarchischen Linienorganisation zu einer Matrixorganisation mit Mitarbeiterpools zu wechseln ist ja logisch erklärbar und nachzuvollziehen. Das wird schon klappen! Ich mache da einfach einen Satz mit Powerpoint Slides und rufe die rund 250 Mitarbeiter zu einer Infoveranstaltung zusammen. Dann erkläre ich denen das. Ich meine wir sind ja alle erwachsene, vernunftbegabte Menschen. Das wird schon klappen!“
Allgemeine Psychotherapie – fünf Schritte wirksamer Veränderungsarbeit
Der berühmte Berner Psychologieprofessor Klaus Grawe (1943 – 2005) hat in seinem Buch „Neuropsychotherapie“ im Jahre 2004 als Ergebnis seiner Metastudie fünf Schritte wirkungsvoller Veränderungsarbeit beschrieben.
Er beschreibt, dass wirksame therapeutische Veränderungsarbeit wirkt, wenn der Therapeut
- die therapeutische Allianz aufbaut,
- den Problemzustand aktiviert,
- die Motivation klärt,
- Ressourcen aktiviert, und
- den Problemzustand mit dem Ressourcenzustand verknüpft.
Weiter hat er postuliert, dass eine Veränderung nur dann erfolgreich ist, wenn sich hierdurch auch etwas im Gehirn verändert. Der Wirksamkeitsforscher Gerhard Roth von der Universität Bremen hat unter Einsatz von Kernspintomographen diese These untersucht und bestätigt. Diese fünf Schritte sind aus neurobiologischer Sicht sinnvoll und geeignet, neurologische Veränderungen, also „lernen“ zu bewirken.
Die fünf Schritte aus Sicht von Organisationsveränderungen
Meine These ist nun, dass das was in einem Kopf gilt, genau so für Veränderung zwischen den Köpfen gilt. Warum? Nun, weil jeder Mensch eine Organisation in sich drinnen hat. Da gilt es die verschiedenen Rollen, die jeder in sich trägt, auszutarieren, zu priorisieren usw. Was ist jetzt gerade wichtiger? Meine Überzeugungen als Sohn oder Tochter? Oder doch die als Angestellter? Vielleicht bin ich ein Selbstständiger oder Unternehmer und die Aufgaben hier sind wichtiger als die Familiären.
Schauen wir uns also die fünf Schritte aus Sicht einer Organisationsveränderung an. Was könnte man darunter in diesem Kontext verstehen?
Aufbau der therapeutischen Allianz
Die therapeutische Allianz als Voraussetzung für eine erfolgreiche Veränderung besagt, dass im System von Verändernden und Veränderten eine Basis des Vertrauens herrscht. Ohne Vertrauen wird es unendlich schwer, die Beteiligten zu einem motivierten Verändern ihres Verhaltens zu motivieren.
Vertrauen in diesem Kontext könnte bedeuten, dass
- Die Menschen der Organisation vertrauen in sich selbst haben
- Die Menschen der Organisation denjenigen Vertrauen, die die Veränderung initiieren
- Die Menschen der Organisation daran glauben, dass die Methoden zur Veränderung sinnvoll sind und funktionieren
- Die Menschen der Organisation und die Initiatoren der Veränderung müssen gemeinsam daran glauben, dass das Ziel der Veränderung hilfreich und sinnvoll ist
- Die Initiatoren der Veränderung müssen an ihre Change-Methoden glauben
Dieses Vertrauen sollte zu Beginn des Change Prozesses da sein.
Aktivierung des Problemzustandes
Alle direkt oder indirekt am Organisationschange beteiligten Personen sollen „erweckt“ werden und in ihrem Denken mit der Motivation hinter Veränderung verbunden sein.
- Wo kommen wir her?
- Wo stehen wir heute (und ist nicht mehr so optimal)
- Wo soll es hingehen (und zukünftig anders sein)?
Alle sollen einen einheitlichen „Denkrahmen“ haben, über den sie sich verstehen können, der aber auch die individuellen Spezifika des Einzelnen andocken lässt.
Motivationale Klärung
Bei der motivationalen Klärung ist es nicht damit getan, das Motiv der Initiatoren für eine Veränderung transparent zu machen. Alle an der Veränderung Beteiligten haben eine Individuelle Sicht auf dieses Geschehen und eine eigene spezifische Motivation. Wie bekommet man die Beteiligten dazu, die Perspektive der Initiatoren einzunehmen, damit aus dieser Sicht das eigene Verhalten reflektiert werden kann? Welcher Beteiligte hat welches Motiv im Zusammenwirken? Was ist der Sinn der Veränderung? Was hat jeder einzelne damit zu tun?
Dies kann zum Beispiel durch eine Klärung der Rollen und eine Klärung der Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen den Rollen unter Einbindung der beteiligten Parteien erfolgen.
Ressourcenaktivierung
Menschen müssen emotional aktiviert werden, damit Lernen geschehen kann. Emotionen werde nur aktiviert, wenn die fünf Sinne konkret angesprochen werden und die Zukunft sinnlich erfahrbar gemacht wird. Ein Veranstaltungsdesign, dass genau dieses leistet ist nicht trivial. Das in letzter Zeit immer stärker forcierte Storytelling mit Nutzung von guten Metaphoriken leistet beispielsweise genau so etwas. Noch besser sind Workshops, die die Beteiligten durch „tun“ körperlich aktivieren.
Sachlogisch stellt sich hier die Frage, welche organisatorischen Maßnahmen erforderlich sind, damit die Veränderung unter Berücksichtigung der generellen und individuellen Motive stattfinden kann. Das kann von der Festlegung eines Organigramms über Weiterbildungsmaßnahmen, bauliche Maßnahmen, Anschaffung von Material, konkreten Vereinbarungen zu Liefer- und Leistungsverpflichtungen alles Mögliche sein
Verknüpfung von Problemzustand mit den Ressourcen
Nachdem alle notwendigen Ressourcen bekannt und aktivierbar sind, gilt es mit einem Plan, der allen Beteiligten transparent ist, Schritt für Schritt vom alten zum zukünftigen Organisationszustand zu wechseln. So kann die Veränderung real werden.
Fazit
Nachdem ich Rudi Baumeister von den 5 Schritten Grawes berichtet hatte kam er ins Grübeln ob seine geplante „Ist doch logisch“-Frontalbeschallungsveranstaltung wirklich zielführend ist. Er wollte sich vor allem zunächst einmal überlegen, was zu tun sei, um die Vertrauensbasis zu stärken. Ich solle das Thema mit ihm noch einmal vertiefen und er wollte in einem weiteren Termin seinen Fall gegen dieses Modell reflektieren. „Ich glaube so kann mein Job sogar Spaß machen!“ meinte er, als wir den Termin verabredet hatten.
Das 5 Schritte-Modell von Grawes Allgemeiner Psychotherapie zielt zwar auf die Veränderungsarbeit mit Einzelpersonen. Ich bin der Meinung, es ist ebenfalls ein wirklich guter Leitfaden für das, was zu tun ist, wenn man Menschen einer Organisation mit Veränderungen konfrontiert. Mit reiner Logik erreicht man leider nicht das Herz der Mitarbeiter.
Beachten wir also die 5 Schritte, sorgen wir für Vertrauen aller Beteiligten und Beteiligen wir die Betroffenen auf eine Weise, die gute Emotionen weckt.
So kann der Orga-Change besser gelingen!