Wenn Selbst-Teile den Körper zu sehr kontrollieren

Eine Geschichte darüber, wie ich Einfluss auf meine Körperkontrolle nahm.

Einführung

Eine Hand massiert den Rücken im Hüftbereich einer auf dem Bauch liegenden Person.Ich gönne mir seit einiger Zeit regelmäßig eine Massage bei Thomas Schum in Frankfurt. Jeden zweiten Dienstag stehe ich am Morgen auf, dusche mich, springe in meine Klamotten, gebe meiner Frau noch einen Bussi in deren schläfriges Gesicht und springe ins Auto. Dann hoffe ich darauf, dass der morgendliche Berufsverkehr mich nicht daran hindert, rechtzeitig in Frankfurt zu sein. Während das Radio Achzigerjahremusik dudelt, freue ich mich schon auf die 90 Minuten währende Wohltat.

Thomas wirkt im dritten Stock eines Wohnhauses.

Wenn ich mir das recht überlege, bin ich ja eigentlich schon fit, wenn ich es die drei Stockwerke durchs Treppenhaus bis zu seiner Eingangstür geschafft habe. Die Art, wie er seine Massagen macht, finde ich sehr gut. Im Prinzip kommuniziert er mit mir über den Körper und dessen Muskulatur. In dieser ist ja – angeblich – so manche Lebensweisheit abgespeichert. Das nennt sich auch somatische Intelligenz.

Während der Behandlung werde ich immer wieder auf besondere Reaktionen meines Körpers aufmerksam. Und von solch einer möchte ich hier gerne berichten.

 

Vorgeschichte

Vielleicht noch eine kurze Information zu meiner Vorgeschichte. Ich kam als erster der Zwillinge zu früh auf die Welt, erlitt einen Sauerstoffmangel und dabei sind wohl einige Zellen meines Stammhirns kaputtgegangen. Ergebnis waren Störungen in der Muskelkoordination. Kurz: Spastik. Folge: Ich habe als Kind jeden Tag trainiert, mit dem Ziel, dass andere Teile meines Gehirns die Koordinationsaufgabe übernehmen. Das ständige Training war recht erfolgreich, da ich die verbliebenen Einschränkungen zwar wahrnehmen kann, diese aber nicht wirklich relevant sind.

 

Ein Muster

Ich entkleidete mich also bis auf die Unterhose und entschied mich dafür, diesmal auf dem Rücken liegend zu beginnen. Thomas kam herein und fragte, ob ich denn besondere Wünsche hätte und ich verneinte. Thomas legte los.

Als er mich in eine gerade Position rückte – komisch, warum fühlt sich das „gerade Liegen“ nur immer so krumm an – und dabei auch meine Arme bewegte, wurde mir folgendes bewusst: Irgendetwas in mir ließ nicht zu, dass Thomas den Arm einfach so nahm und in eine andere Position schob. Nein, meine Arme versuchten zu erraten, in welche Richtung sie bewegt werden sollten und vollzogen die Bewegung aktiv mit. Ich war verwundert. Irgendwie war mir aber auch klar, dass dies hier nicht das erste derartige Verhalten meiner Arme war.

Thomas ging um die Massageliege herum auf die linke Seite meines Körpers. Siehe da! Das Muster wiederholte sich. Also – „Entspannt“ ist ja wohl etwas anderes, dachte ich.

Thomas war nun zufrieden mit der Lage meines Körpers. Er ging wieder auf die andere Seite und begann, meinen rechten Fuß zu bearbeiten. Von da aus arbeitete er sich langsam am Bein nach oben. Ich berichtete ihm von meiner Wahrnehmung mit dieser roboterartigen Verhaltensweise meiner Arme. Er meinte nur, ich solle mal in mich gehen und meine Motivation ergründen. Ich antwortete: „Okay!“ und ergänzte in Gedanken: „Aber ich mache das auf meine Weise!“.

 

Motivation ermitteln

Wofür beschäftige ich mich schließlich seit längerem und intensiv mit Kommunikations- und Konfliktlösungstechniken in Verbindung mit der Mental Space Psychologie?! Es macht übrigens von der Vorgehensweise keinen Unterschied, ob es einen Konflikt zwischen zwei oder mehreren Personen gibt oder ob der Konflikt sich innerhalb einer Person abspielt. Das Muster, wie man das Konfliktverhalten verändern kann ist gleich.

Nun ist es schon eine besondere Herausforderung, sich während einer Massage in einen fokussierten inneren Zustand zu begeben und all die Impulse, die der Masseur von außen in den Körper gibt, zu ignorieren. Ich habe aber nun schon einige Jahre mental trainiert und kann mich wirklich gut auf etwas fokussieren. Ich zog mich in mein Innerstes zurück und überlegte mir:

„Hmmm, wenn mein Arm sich aktiv bewegt und etwas Unbewusstes diesen steuert, was ist denn die korrekte Fragestellung?“

Ich entschied mich für: „Wer übernimmt die Kontrolle über meinen Körper, wenn ich entspannen will?“.

Eine Glastasse mit Schokolade gefüllt. Die Tasse steht auf einer Fläche und daneben liegt Kakaopilver und eine Rippe dunkler Schokolade. Unscharf im Hintergrund einige Flecken der flüssigen SchokoladeDann überlegte ich: „Wenn es ein Getränk gäbe, das für den Anteil in mir steht, der die Kontrolle über den Arm ausübt… Welches Getränk wäre das?“ Im Geist ging ich alle möglichen Getränke durch und entschied mich für ein dickes, braunes, klebriges Nesquik. Ich trinke seit Jahren am Morgen anstelle von Kaffee einen Becher wunderbar kühler Milch mit einer ordentlichen Portion Nesquik. Allerdings nicht so dick angerührt.

 

Als nächstes stellt ich mir die Frage: „Wenn das dicke klebrige Nesquik irgendwo im Raum wäre, wo wäre das Nesquik richtig?“

ZACK! Schon klebte mir das Nesquik hinten rechts am Hals. So etwa auf vier Uhr, wenn die Nasenspitze vorne 12 Uhr ist. Das Gefühl, das ich mit dem Nesquik verband, war mächtig, stark und autonom. Ich bedankte mich beim Nesquik dafür, dass es sich offenbart hatte. Nun hatte ich eine Materialisierung, ein Objekt, mit dem ich weiterarbeiten konnte.

Nun ging es darum, rauszufinden, welches Interesse dieser Anteil meiner Persönlichkeit hatte, der sich mir, am Nacken klebend, offenbart hatte.

Ich stellte mir also vor, wie ich aus mir selbst herausschwebte und in das Nesquik hinein. Wen ich nun so ein dunkles, braunes, dickes Getränk wäre. Kühl und mit dem spezifischen starken Geschmack des Nequick-Sirups und direkt auf den Hals von Rainer starre. Worum geht es mir da, wenn ich mich so verhalte, wie ich mich verhalte? Geht es mir um FREIHEIT? Um SICHERHEIT? Um ANERKENNUNG? Um MACHT? INTENSITÄT oder INTEGRITÄT? Etwa HARMONIE? Oder FÜRSORGE? Vielleicht geht es mir an dieser Stelle darum, WISSEN zu generieren und etwas zu erfahren, das meine Neugierde befriedigt. Ich prüfte die Leitwerte, die Adrian Schweizer, nach jahrelanger Praxiserfahrung mit seinen Klienten herauskristallisiert hatte.

Eine Grafik, die die 9 Leitwerte nach Adrian Schweizer auflistet. Es sind Freiheit, Sicherheit, Anerkennung, Macht, Harmonie, Intensität, Integrität, Fürsorge und Neugier.
Mein Bauchgefühl teilte mir recht deutlich mit, dass es mir in der Hauptsache um SICHERHEIT ging. Ich, das Nesquik, sorge dafür, dass der Rainer gut durch sein Leben kommt. Daher übernehme ich lieber mal die Kontrolle, wenn irgendetwas mit dem Arm geschieht. Wer weiß was passiert, wenn er sich da einfach so gehen lässt?

Ich fragte von außen, sozusagen aus dem „Meta“: „Liebes Nesquik, vielen Dank dafür, dass Du Rainer schützen möchtest. Welche Charaktereigenschaften bräuchtest Du denn, damit Du das Gefühl haben kannst, für den Rainer da zu sein und ihn zu schützen, OHNE bei jeder Kleinigkeit – wie in dieser Situation – eingreifen zu müssen?“

Heraus kam: „Ich bräuchte VERTRAUEN!“

 

Veränderung initiieren

Also schwebte ich wieder zurück in den Rainer und erzeugte ein Gefühl des Vertrauens. Ich lud meinen Körper mit dieser Energie auf und umhüllte mich mit der Energie des Vertrauens. Die Farbe dieser Energie war hellblau. Als ich die Energie aus meiner Mitte in Richtung Nesquik richtete und mir vorstellte, wie die Energie in das Nesquik eindringt, gab es eine unmittelbare Reaktion meines Körpers. Meine Arme, die ja eigentlich einfach flach auf er Liege ruhen sollten, sackten „nach unten“. Sie entspannten. Das erfolgte sehr spontan. Thomas reagierte, indem er die Massage des Oberarms unterbrach, seine Hände zurücknahm und abwartete. Ich gab ihm ein Signal, dass alles in Ordnung sei. Thomas nahm seine wohltuende Arbeit wieder auf.

Ich checkte nun, was sich verändert hatte, indem ich das Nesquik von außen betrachtete und wieder in diesen Persönlichkeitsanteil „hineinschwebte“. Die Position und die Konsistenz des Klebegetränkes hatten sich nicht wirklich verändert. Es verharrte da hinten im Genick und war weiterhin eher dunkel, schwer und kalt.

Das war es dann wohl noch nicht.
„Was würde Dir noch helfen, liebes Nesquik?“
Heraus kam: „ZUFRIEDENHEIT“.

Wieder in den Rainer reingehen. Ihn mit dem Gefühl der ZUFRIEDENHEIT erfüllen. Die Energie um den Rainer herum hüllen. Farbe: Grün. Ab mit dem Energiestrahl zum Nesquik. Zack!

Hups! Das ging nicht. Die Energie wollte ums Zerplatzen nicht zum Nesquik in Richtung Nacken strömen…

Ich dachte nur: „Danke liebes Nesquik für diesen Widerstand!“ Ich dachte weiter. „Ich bin auf dem richtigen Weg. Wenn es einen Widerstand gibt, Zufriedenheit entgegenzunehmen, dann ist das eine wichtige Ressource!“ Ich musste nun das Nesquik davon überzeugen, den Widerstand fallen zu lassen.

Da ich hier ja mit mir selbst arbeitete und nicht mit einem meiner Klienten, und ich auch nicht ewig Zeit hatte – Thomas massierte mittlerweile meine Kopfhaut -, besann ich mich auf die drei archetypischen Ressourcen von Steven Gilligan. Das sind Eigenschaften, die jeder Mensch von Geburt an hat und die man nicht extra erlernen muss. Ich checkte also LEIDENSCHAFT, SANFTHEIT und VERSPIELTHEIT. Und kam flott zum Schluss, dass VERSPIELTHEIT der Schlüssel zum Erfolg sein dürfte. Wenn das Nesquik verspielte sein könnte, dann könnte es auch eher Vertrauen!

Das Gefühl der Verspieltheit zu generieren sollte für mich ja überhaupt kein Problem sein. Immerhin treffe ich mich seit ewigen Zeiten jede Woche mit meinen Freunden, um irgendwelche Brettspiele zu spielen. Ich versetzte mich in genau so einen Spieleabend und übertrug die Energie dieses Gefühls in Richtung Nesquik. Danach probierte ich es noch einmal mit dem Transfer von VERTRAUEN in Richtung Nesquik.

 

Veränderung erleben

Die Reaktion meines Körpers und das damit verbundene Gefühl war überwältigend! In dem Moment, da ich den grünen Energiestrahl des Vertrauens in Richtung Nesquik losschickte und mir vorstellte, dass das Nesquik von dieser Energie durchdrungen wird, gab es eine umfassende Reaktion meines ganzen Körpers. Es war, als würden alle Gliedmaßen eine Etage nach unten sacken. Thomas, der ja gerade an meiner Kopfhaut zugange war, reagierte sofort und fing meinen Kopf auf.

Mir war gar nicht bewusst, dass der Zustand, von dem ich meinte, dass es ein entspannter Zustand sei, derartig angespannt war!

Das Nesquik setzte sich nun in Bewegung und wanderte in einer kreisförmigen Bewegung vom Nacken gegen den Uhrzeigersinn um den Kopf herum. Es gewann an Höhe, bewegte sich zur Stirn und drang in die Stirn ein. Dabei veränderten sich seine Eigenschaften. Das Nesquik war nicht mehr klebrig, wurde immer heller, eher gelb, wärmer, leichter, freundlicher. Toll! Es war am Ende der Transformation definitiv kein „Nesquik“ mehr.

Ich beendete an dieser Stelle meine Veränderungsarbeit an mir selbst.

Die Veränderung war für mich noch während des ganzen Tages wahrnehmbar. Ich wanderte viel weicher, entspannter durch den Tag. Vor allem im Nacken- und Schulterbereich empfand ich eine größere Flexibilität.

Bei den nächsten Massageeinheiten bestätigte mir Thomas, dass mein Körper entspannter sei. Die Veränderung wirkt!

 

Was ist wichtig?

Mehrere Lehren habe ich persönlich aus diesem Erleben gezogen:

  • Gut fokussieren können ist eine wichtige Fähigkeit.
  • Ich erlebte wieder einmal, wovon ich schon lange überzeugt bin! Die Methoden der Veränderungsarbeit im Mental Space wirken! Das Wissen hat eine andere Qualität. Man kann sich die Auswirkung nicht theoretisch vorstellen.
    Erlebte Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen.
  • Da ich praktisch unmittelbar mit meiner Körpersteuerung gearbeitet hatte, war das Biofeedback meines Körpers enorm schnell und umfassend. Die Reaktion erfolgte bereits unmittelbar nach der Vorstellung, dass das Gefühl übertragen wird.
  • Ich hatte hier die Methodik enorm verkürzt und am Ende nicht nach dem AQAL-Modell von Ken Wilber das Ergebnis aus allen vier Wahrnehmungspositionen auf Widerstände geprüft. Allmählich war das „Nesquik“ später wieder an eine ungünstigere Stelle gewandert und ich durfte noch einmal nacharbeiten…Don’t forget it!